Ministerialdirektor Stefan Ramge ist seit Mitte 2018 Leiter der Vermögensabteilung im Bundesministerium der Finanzen (BMF) und damit für Beteiligungen, Bundesimmobilien und Privatisierungen zuständig. Die Vermögensabteilung hat unter seiner Leitung unter anderem die Neufassung der Grundsätze guter Unternehmens- und aktiver Beteiligungsführung im Bereich des Bundes erstellt, die mit Beschluss des Bundeskabinetts am 16. September 2020 in Kraft getreten ist. Zu diesen Grundsätzen gehören der Public Corporate Governance Kodex (PCGK) des Bundes und die Richtlinien für eine aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen mit Bundesbeteiligung (Richtlinien). Zur Halbzeit der Legislatur soll ein Blick auf die Aktivitäten des Beteiligungsmanagements des Bundes erfolgen. Das Interview für die BOARD führt Herr WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner.
BOARD:
Die Halbzeit in der Legislaturperiode ist erreicht. Zeit, ein kurzes Resümee zu ziehen. Welche Entwicklungen oder Neuerungen hat es im Beteiligungsmanagement des Bundes bisher in dieser Legislatur gegeben und worauf müssen sich die Bundesunternehmen künftig einstellen?
Stefan Ramge:
Wir haben im Beteiligungsmanagement des Bundes in den vergangenen zwei Jahren eine Vielzahl von Themen vorangetrieben und in der Praxis umgesetzt. An dieser Stelle möchte ich nur einige wesentliche Entwicklungen herausgreifen. Hierzu gehören insbesondere die Stärkung der Erfolgskontrolle bei den Bundesbeteiligungen sowie die regelmäßige Überprüfung des wichtigen Bundesinteresses, die Modernisierung des Standardisierten Beteiligungsmonitorings (SBM), die Weiterentwicklung der Corporate Governance durch das Update des Public Corporate Governance Kodex des Bundes (PCGK) und last but not least unsere Anstrengungen beim Bürokratieabbau. Darüber hinaus hilft uns unser bereits bestehendes, nach Unternehmensgröße abgestuftes Berichtsmodell im Nachhaltigkeitsbereich, um die CSRD-Anforderungen vernünftig umzusetzen.
BOARD:
Was ist das Besondere bei der Erfolgskontrolle bei Bundesbeteiligungen? Wie sieht die Stärkung der Erfolgskontrolle durch das Beteiligungsmanagement aus?
Stefan Ramge:
Lassen Sie mich hier etwas weiter ausholen. Der Bund beteiligt sich nur dann an einem Unternehmen, wenn ein wichtiges fachpolitisches Bundesinteresse vorliegt und sich der vom Bund angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt. Dieses Postulat ist Maßstab über den gesamten Lebenszyklus einer Bundesbeteiligung.
Die aktive Beteiligungsführung, die die Eigentümerinteressen des Bundes ausübt, überprüft regelmäßig die wirtschaftliche Umsetzung des wichtigen Bundesinteresses. Sie übersetzt das wichtige Bundesinteresse in vom Unternehmen zu erreichende operationalisierbare, mittelfristige Wirkungsziele. Diese sind sowohl für die Geschäftsführung als auch den Aufsichtsrat zentrale Orientierungspunkte.
Die Geschäftsführung entwickelt unter Einbeziehung dieser Wirkungsziele und in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat die Unternehmensstrategie. Hierdurch stellen wir sicher, dass unsere Unternehmen effektiv und effizient ausgerichtet sind.
Die Erfolgskontrolle bei Bundesunternehmen ist im Gegensatz zur Erfolgskontrolle bei Unternehmen, an denen die öffentliche Hand nicht beteiligt ist, nicht darauf ausgerichtet, die Maximierung von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie beispielsweise Umsatz bzw. Gewinn zu prüfen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Zur Stärkung der Erfolgskontrolle durch das Beteiligungsmanagement leistet mein Grundsatzreferat Beteiligungsführung wichtige Beiträge. Damit die beteiligungsführenden Ressorts in die Lage versetzt werden, eine aussagekräftige Erfolgskontrolle entwickeln zu können, bietet mein Grundsatzreferat nunmehr seit Ende 2021 Modulschulungen an, die die Grundlagen der Erfolgskontrolle vermitteln. Diese Grundlagen haben wir im Rahmen der Überarbeitung der Grundsätze bereits in 2020 in den Richtlinien niedergelegt und zusätzlich bis Ende 2021 eine Handreichung hierzu mit Fallbeispielen entwickelt.
Darüber hinaus werden allen beteiligungsführenden Referaten der Ressorts individuell zugeschnittene Workshops zur Erfolgskontrolle angeboten. Dies ist aus unserer Sicht notwendig, da wir im Beteiligungsportfolio des Bundes einen bunten Strauß von Unternehmen haben. Dieser reicht von der GmbH über die Aktiengesellschaft bis hin zu den insbesondere im Forschungsbereich tätigen Zuwendungsempfängern.
Eine Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten aller Unternehmen ist weder in einer Richtlinie noch in einer Handreichung vollständig leistbar, sodass eine individuelle Betreuung der beteiligungsführenden Ressorts aus unserer Sicht der beste Weg ist, die Erfolgskontrolle in den Bundesunternehmen umzusetzen. Die bisher erreichten Ergebnisse geben uns Recht. Im Rahmen des jährlich durchzuführenden Standardisierten Beteiligungsmonitorings stellt der Bund seit Ende 2022 dem Bundesfinanzierungsgremium auch die Erfolgskontrolle ausgewählter Bundesunternehmen vor.
BOARD:
Sie erwähnten bereits eingangs die Modernisierung des Standardisierten Beteiligungsmonitorings. Was hat es damit auf sich?
Stefan Ramge:
Wir haben vor einigen Jahren ein Standardisiertes Beteiligungsmonitoring, kurz „SBM“, für unsere Bundesunternehmen eingeführt. Mit diesem Monitoring informieren wir die Abgeordneten des Bundesfinanzierungsgremiums sowie den Bundesrechnungshof über die aktuelle wirtschaftliche und finanzielle Lage ausgewählter Bundesunternehmen.
Die Auswahl der Bundesunternehmen für das Monitoring erfolgt durch die beteiligungsführenden Bundesministerien anhand von Faktoren, die wir ihnen als BMF vorgeben. Seit 2022 werden zusätzlich ausgewählte Aspekte der Erfolgskontrolle in das Standardisierte Beteiligungsmonitoring aufgenommen. Hierzu zählen zum Beispiel die Wirkungsziele und die dazugehörigen Key Performance Indicators zu den Bereichen Auftrag, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Darüber hinaus müssen die Bundesressorts den jeweiligen Zielerreichungsgrad zu den genannten Wirkungszielen angeben. Die Ressorts erhalten für das SBM ein Datenblatt vom BMF, in welches die Daten einzutragen sind. Die Datenblätter werden anschließend von uns auf Plausibilität geprüft und in einem Bericht für das Gremium zusammengestellt.
BOARD:
Im vergangenen Jahr haben Sie unseren Lesern mitgeteilt, dass das BMF ein Update der Grundsätze guter Unternehmens- und aktiver Beteiligungsführung im Bereich des Bundes, insbesondere des darin enthaltenen PCGK, plant. Ist dieses Update mittlerweile auf dem Weg und welche Passagen haben Sie angepasst?
Stefan Ramge:
Das Update unserer Grundsätze werden wir Ende dieses Jahres voraussichtlich abschließen können. Federführend wurde das Update in meiner Abteilung und unter Beteiligung der Bundesressorts durchgeführt. Wir haben vor allem den PCGK des Bundes an aktuelle Rechtsentwicklungen angepasst und in diesem Zusammenhang die Corporate Governance-Regelungen im PCGK nachgeschärft. Hierzu zählten unter anderem eine Anpassung des PCGK an das CSRD-Umsetzungsgesetz, die Nachschärfung des Themas der klimaneutralen Organisation der Bundesunternehmen, die Steigerung der Innovationskraft der Bundesunternehmen im Rahmen der Nutzung von Digitalisierungspotenzialen, die Stärkung der Kontrollsysteme sowie die Berücksichtigung der Regelungen des FiSG zur Rotation des Abschlussprüfers.
Weiterhin haben wir den Anwendungsbereich des PCGK, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung in Konzernstrukturen, deutlicher herausgestellt.
Darüber hinaus haben wir die Musterstatuten, die den Grundsätzen als Anlagen beigefügt sind, an die aktuelle Rechtsentwicklung angepasst.
Ziel der Überarbeitung ist es, die Unternehmen krisenfester zu machen, sie als wichtigen Transformator unseres Landes zu positionieren, Bürokratie abzubauen und neue Maßstäbe zu setzen. So finden wir es wichtig, dass im Rahmen von Auswahlprozessen für Führungskräfte auch Menschenkenntnis und Empathie ein Kriterium sind.
Sie sehen, eine ganze Reihe von Neuerungen im Beteiligungsmanagement, die ab dem kommenden Jahr durch die beteiligungsführenden Ressorts bei ihren Beteiligungen umzusetzen sind.
BOARD:
Sie sprechen das geplante CSRD-Umsetzungsgesetz an, welches einen Einfluss auf das Update des PCGK hat. Die CSRD sieht vor, dass unter anderem bilanziell große Kapitalgesellschaften, wozu Unternehmen mit Beteiligung des Bundes gehören, ab 2025 eine Nachhaltigkeitsberichterstattung in einem gesonderten Abschnitt ihres Lageberichts darstellen und im Anschluss daran prüfen lassen müssen. Zum Einstieg in die sehr komplexe Materie der CSRD würde ich daher gern die aktuelle Regelung in der Bundeshaushaltsordnung (BHO) zur Rechnungslegung und Prüfung von Bundesunternehmen beleuchten. Welche konkreten Anforderungen stellt die Bundeshaushaltsordnung derzeit an Unternehmen mit Beteiligung des Bundes hinsichtlich Rechnungslegung und Abschlussprüfung?
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Stefan Ramge:
Vorweg möchte ich herausstellen, dass öffentliche Unternehmen keine geringeren Berichtspflichten haben dürfen als privatwirtschaftliche Unternehmen.
Wir stehen aber vor der Herausforderung, dass die bisherige Regelung des § 65 Abs. 1 Nr. 4 BHO einen pauschalen Verweis auf die HGB-Bilanzregeln für große Kapitalgesellschaften enthält. Das heißt, alle Unternehmen mit Beteiligung des Bundes, egal, wie groß sie im bilanzrechtlichen Sinne tatsächlich sind, haben wie große Kapitalgesellschaften ihren Jahresabschluss nebst Lagebericht aufzustellen und durch einen Abschlussprüfer bzw. eine Abschlussprüferin prüfen zu lassen. Die allgemeine Verweisung in § 65 Abs. 1 Nr. 4 BHO macht keinen Unterschied zwischen tatsächlich bilanziell großen Kapitalgesellschaften und kleinen und mittelgroßen Unternehmen.
BOARD:
Was wollen Sie hieran ändern?
Stefan Ramge:
Wir knüpfen an unserem 2020 eingeführten gestuften Berichtssystem an, das sich an der Unternehmensgröße orientiert – wie es das geplante CSRD-Umsetzungsgesetz auch für große Unternehmen, große kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften und kleine sowie mittelgroße kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften vorsieht.
Damit Aufwand und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis stehen, wollen wir, wie auch auf europäischer Ebene vorgesehen, an unserem abgestuften Berichtsmodell festhalten und es an die aktuellen Anforderungen anpassen. Unsere großen Kapitalgesellschaften sowie unsere kapitalmarktorientierten Unternehmen haben nach den CSRD-Vorgaben zu berichten. Die mittleren und kleinen nichtkapitalmarktorientierten Bundesunternehmen sollen ihren Nachhaltigkeitsbericht nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) erstellen. Der DNK mit seinen Hilfestellungen durch das DNK-Büro ist gerade für kleine Unternehmen eine sehr gute Möglichkeit, einen sachgerechten Nachhaltigkeitsbericht zu verfassen. Mit diesem Modell haben wir für jede Unternehmensgröße auf Bundesebene das passende Berichtsformat.
Zur Nachzeichnung ist auf Ebene der BHO eine kleine Anpassung bei § 65 Abs. 1 Nr. 4 BHO notwendig, was wir dem Gesetzgeber durch den Referentenentwurf zur Umsetzung der CSRD ins nationale Recht vorschlagen werden.
Mir ist wichtig zu betonen, dass es viel bedeutender ist, beim Thema Nachhaltigkeit auf allen Ebenen tatsächlich voran zu kommen, als Reportingpflichten auszuweiten. Bei aller Bedeutung von Transparenz und möglichst vielen Zahlen: Zur Erreichung des Ziels Nachhaltigkeit ist es wichtiger, dass die Beschäftigten ihre Arbeitszeit für die Zielerreichung selbst einsetzen können und nicht allein mit dem Erstellen von Berichten beschäftigt sind.
BOARD:
Im Ergebnis haben alle Bundesunternehmen eine Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erstellen. Damit sollen – sofern ich Sie richtig verstanden habe – vom geplanten CSRD-Umsetzungsgesetz in der Fassung des Referentenentwurfes auch Kleinstkapitalgesellschaften mit Beteiligung des Bundes erfasst werden, die, wenn der Bund nicht an ihnen beteiligt wäre, keine Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erstellen hätten, sehe ich das richtig?
Stefan Ramge:
So ist es. Kleinstkapitalgesellschaften mit Beteiligung des Bundes haben ebenfalls – wie alle anderen Unternehmen mit Bundesbeteiligung auch – einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Sie können sich hierbei an der Neuregelung im PCGK des Bundes orientieren und den DNK als Grundlage wählen.
Des Weiteren haben die großen Bundesunternehmen bei ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung auch das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu berücksichtigen, sofern sie in dessen Anwendungsbereich fallen.
Die Thematik Nachhaltigkeitsberichterstattung wird uns im Beteiligungsmanagement damit weiterhin beschäftigen.
BOARD:
Die eben genannten gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich Nachhaltigkeit sind für alle Unternehmen, unabhängig von der Eigentümerstruktur, hoch anspruchsvoll. Sie sprachen eingangs auch den Bürokratieabbau in dieser Legislaturperiode an. Was hat es damit auf sich?
Stefan Ramge:
Wichtig für den Erfolg einer gelebten nachhaltigen Unternehmensführung ist, dass wir unsere Unternehmen wie Unternehmen behandeln und nicht wie nachgeordnete Dienststellen. Doppelregime in Form von Nachhaltigkeitsvorgaben für Dienststellen plus die regulatorischen Anforderungen für Unternehmen zum Bereich Corporate Sustainability sind zu vermeiden. Wir erleben leider oft, dass Bundesunternehmen in Maßnahmenprogramme der Bundesverwaltung einbezogen werden sollen bei gleichzeitiger Erfüllung der unternehmensregulatorischen Vorgaben wie der CSRD. Dies würde zu Doppelungen und damit ineffizienten Prozessen führen. Gemeinsam mit dem Aufsichtsrat der jeweiligen Unternehmen ist zu überlegen, wie die vielfältigen Anforderungen einen Benefit für den Geschäftsprozess und das Unternehmen bringen. So ist nach wie vor eine wirkungsvolle Energiesteuerung wichtig, um effizient mit dem knappen Gut Energie umzugehen und die Leistungspreise stabil zu halten.
Aus diesen Gründen planen wir im Zusammenhang mit dem CSRD-Umsetzungsgesetz einen neuen Absatz 7 in § 65 BHO einzufügen, um klarzustellen, dass die Unternehmen mit Beteiligung des Bundes wie Unternehmen und nicht wie nachgeordnete Bundesbehörden zu behandeln sind. Nach dem neuen § 65 Abs. 7 BHO-E erfolgt die Führung eines Unternehmens, an dem der Bund unmittelbar oder mittelbar mit Mehrheit beteiligt ist, nach den jeweiligen unternehmensrechtlichen Vorschriften sowie dem Public Corporate Governance Kodex des Bundes. Der PCGK Bund als Führungsinstrument unserer Unternehmen hat sich bewährt. Dieser Vorschlag ans Parlament dient letztendlich der dauerhaften Verankerung einer guten Corporate Governance und soll ferner sicherstellen, dass Bundesunternehmen effektiv und effizient entlang dem wichtigen Bundesinteresse wirtschaftlich geführt werden.
BOARD:
Erneut möchte ich zum Abschluss unseres Gespräches auch in diesem Jahr die Frage stellen, welche Herausforderungen auf die Bundesunternehmen gegenwärtig und künftig zukommen werden?
Stefan Ramge:
Bundesunternehmen unterliegen wie Unternehmen der Privatwirtschaft auch den aktuellen Krisen und Herausforderungen – da gibt es wenig Unterschiede. Eine gute Governance hilft den Bundesunternehmen aber sehr, mit den Herausforderungen zurecht zu kommen. Das gilt insbesondere beim Ringen um die besten Köpfe – also der Bewältigung des Fachkräftemangels oder auch bei Themen wie zum Beispiel der Cybersicherheit.
BOARD:
Vielen Dank für Ihre sehr offenen Worte sowie weiterhin viel Erfolg und gute Ideen beim Management der Beteiligungen.